Beitrag vom 29.12.2013, Sonntagszeitung (PDF)

LESEN IST JETZT LEICHT, WIEGT ABER SCHWER

Mir hat das Christkind einen E-Reader gebracht. Ich muss also nebst Skischuhen und Ski über Silvester keine dicken Bücher mehr ins hinterste Bergtal schleppen, nein, ab sofort macht mir meine Lesefreude nur noch mit ein paar Hundert Gramm zu schaffen. Wunderbare Aussichten.

Neu ist auch, dass ich beim Lesen nicht mehr allein bin. Bei der Lektüre, die während Jahrhunderten eine private Tätigkeit war, schauen mir jetzt (nebst der NSA) Dritte über die Schultern; über die Online-Anbindung erfahren sie, wie lange ich lese, wann und wo ich aufhöre, was ich markiere, ob ich an den Schluss springe, fertig lese und so weiter. Amazon und Barnes & Noble tun das schon länger und behalten die gewonnenen Daten angeblich für sich. Neu dazugekommen sind US-Start-ups wie Scribd, Oyster oder Entitle, die mit Verlagen kooperieren und dem E-Reader-Nutzer für eine monatliche Gebühr um die 12 Franken unbeschränkten Zugang zu rund 100 000 Büchern gewähren und dann - so das Geschäftsmodell - die gesammelten, anonymisierten Daten verkaufen. Etwa an die Autoren, damit diese ihre Bücher besser an die Wünsche der Kunden anpassen können.

Sie denken, das sei ein schlechter Witz? Gar nicht. Genau das macht der Online-Videodienst Netflix schon lange - und als Resultat haben wir ihm die vielleicht beste TV-Serie, «House of Cards», zu verdanken. Wenn uns solches auch in der E-Bücherlandschaft blüht, lasse ich mir beim Lesen halt zuschauen.

Simone Luchetta