Jürg Fröhlich über Jürg Pfeifer in einem E-Mail vom 14.5.2014 an mich:
Sehr geehrte Frau Luchetta,
Rolf Pfeifer habe ih während des ersten Studienjahres in Mathematik und Physik an der ETH Zürich in den Jahren
1965/66 kennengelernt. Wir verdanken unsere Bekanntschaft einem gemeinsamen Freund, Franz Scherrer, der leider schon gestorben ist.
Dieser Franz hatte eine Vorliebe für die dionysischen Aspekte des Studentenlebens, und Rolf und ich hatten daran ebenfalls Geschmack. So kam es, dass wir in einem kleineren Kreis, zu dem noch ein paar weitere Komilitonen gehörten, mit einer gewissen Regelmässigkeit, zumndest aber ein paar Mal im Semester, unsere mathematisch-physikalischen Anstrengungen nach den Vormittagsvorlesungen beendeten, um danach die philosphischen Aspekte unseres Daseins und unserer Wissenschaft an Örtlichkeiten wie der Bodega, dem Turm, der Rheinfelder Bierhalle oder dem Catalana zu untersuchen, wobei der Konsum einer nicht gerningen Anzahl von Bieren und von Zigaretten sich als äusserst hilfreich erweisen sollte. Solche Ausflüge waren durchaus auch den mehr apollinischen Seiten unserer Existenz förderlich. Immerhin wurden ab und zu zuerst noch Ideen zu Übungsaufgaben, zur politischen Lage, zu Aspekten der Musik und des Musizierens, usw ausgetauscht.
An Rolf schätzte ich stets seine Geschmack am Dionysischen, seine total unverwüstlich gute Laune und seinen Optimismus. Ich war dagegen eher etwas auf der depressiven, pessimistischen Seite des Seelenspektrums.
Rolf ist eine Spielernatur, wogegen ich eher dazu neige, meine Schritte ernsthaft abzuwägen. Für Rolf war stets der Weg das Ziel, wogegen ich stets das Ziel im Auge hatte und den Weg gelegentlich ziemlich beschwerlich fand. Rolfs Intelligenz war eher praktischer Natur - er kokettiert gerne damit, dass er nicht Wissenschaftler, sondern Ingenieur sei - wogegen ich Theoretiker bin und mich eher von abstrakten Frage- stellung angezogen fühle. Rolf hat die Dinge ofet eher intuitiv, denn logisch-rational erfasst, wogegen ich eher zu untrügbar logischen Argumentationsketten neige.
Sie sehen: Rolf und ich ergänzten uns in geradezu hervorragender Weise, und so haben wir eine stabile, gute Freundschaft beschlossen - wie hätte es anders kommen können! Wir haben nicht einmal um die gleichen Damen geworben, sodass es auch in diesem Bereich nie zu Spannungen kam.
Rolf schätzte es, unseren Professoren Spitznamen zu geben. So wurde einer unter ihnen zum "schwulen Mantelpavian" erkoren. Ein anderer hatte einen noch etwas anzüglicheren Spitznamen, den ich hier nicht wiedergeben will.
Rolf war ein durchaus begabter Zuhörer - jedenfalls wenn es um Erklärungen von Lösungen zu etwas komplizierten Übungsaufgaben ging, die er erst intuitiv verstanden hatte. So konnte ich das Dozieren schon als Student ein wenig üben. Ich bestehe aber darauf, dass Rolf ein recht guter, sicher aber phantasievoller und wagemutiger Student war!
Hier ein Beispiel einer Problemstellung, die wir nie ganz verstanden
haben: Kurt Schwarz hatte behauptet, jemanden gekannt zu haben, der sich darauf spezialisierte, seinen Kopf über seinen Hals in seinen Körper einzuziehen.
Dabei habe er eine derart perfekte Meisterschaft entwickelt, dass er am Ende sich total einzzuziehen vermochte, worauf er unsichtbar war und verschwunden sei.
Die Frage, ob diese Geschichte der Wahrheit entsprechen könnte, ist ein Problem der algebraischen Topologie: Ist es möglich eine Sphäre (Kugeloberfläche) von innen nach aussen zu kehren? ("Turning the sphere inside-out"). Steve Smale hat gezeigt, dass dies möglich ist. Rolf musste später etwas angewandte Topologie benützen, um seinen Robotern einen geeigneten Körper zu geben. Aber das abstrakte Problem des "turning the sphere inside-out" war eher für mich als für Rolf.
Seine Spielernatur und sein Wagemut haben Rolf ab und zu auf Abwege gebracht.
So waren seine Ausflüge in die Reiche der Kybernetik und der Tiefenpsychologie nicht unbedingt Meilensteine seiner glanzvollen Karriere.
Rolf hat bewiesen, wie nützliche natürliche/praktische Intelligenz für das Verstehen und Anwenden künstlicher Intelligenz sein kann.
Rolf hat denn auch eine sehr erfolgreiche Karriere als Robotiker durchlaufen, sodass er nun schon aus Anlass seiner Abschiedsvorlesung in der "Sonntagszeitung"
gefeaturet wird. Mir wird diese Ehre bestenfalls aus Anlass meines Todes zuteil werden.
Etc.
Freundliche Grüsse,
Jürg Fröhlich.
P.S. Könnte ohne Weiteres noch zehn Seiten anfügen!