ERSTER SCHATTEN AUF APPLES GLANZ
Steve Jobs selig dürfte sich dieser Tage im Grab umdrehen. Während am Freitag die Leute in den ersten Ländern für das neue iPhone 5 Schlange standen, toste im Web ein gewaltiger Shitstorm. Anlass der Empörung war Apples neue Karten-App, die mit iOS 6, der letzte Woche lancierten Version des mobilen Betriebssystems, die bewährte Google Maps ersetzt. Was Apple mit der selbst entwickelten Anwendung seinen Kunden zumutet, ist kaum zu glauben. So Halbpatziges sind wir aus Cupertino nicht gewohnt.
Wer die Anwendung öffnet, traut seinen Augen nicht: Das soll eine Strassenkarte sein? Sie ist viel weniger detailreich als Google Maps und dadurch sehr unübersichtlich. Alle Strassen sind weiss - Hauptstrassen heben sich nicht etwa gelb ab -, es fehlen diverse Bergnamen, Gewässer, Wälder und so weiter zur Orientierung. Ganz zu schweigen von den wenigen Points of Interest, die Apple von der in der Schweiz immer noch dürftigen Datenbank Yelp bezieht: «Appenzeller Volkskundemuseum»? «Keine Treffer gefunden». «Bärengraben»? Wir werden nach Österreich an den Mondsee gelotst. Zudem sind Strassen etwa in meiner ausserrhodischen Heimatgemeinde einfach nicht eingezeichnet, es fehlen Städte, und die gepushte 3-D-Satellitenansicht ist lächerlich schlecht aufgelöst und zeigt hohe Bauten wie den Eiffelturm seltsam verzerrt. Das ganze Netz spottet, Blogs wie «The Amazing iOS Maps» oder «Gizmodo» sammeln die kuriosesten Screenshots.
Derweil dürften sich Google und Nokia ins Fäustchen lachen. Man mag von Nokia halten, was man will: In Sachen Kartenmaterial sind die Finnen top. Und Google hat eben für Android-Handys eine neue Version Google Maps herausgebracht. Sicher hat auch Jobs zu seiner Zeit fehlerhafte Produkte lanciert (iPhone-Antenne). Aber keines hat Apple das Genick gebrochen. Das könnte sich jetzt ändern.
Publiziert am 23.09.2012
von: sonntagszeitung.ch